Moral begegnet uns im Alltag, in der Politik, in der Gesellschaft, ist einer der ideellen Grundpfeiler der (christlich geprägten) westlichen Welt. Doch: Aktuell hat der Moral-Begriff keinen guten Stand, für viele ist er zum Reizwort geworden. Ob in Debatten um die Klimapolitik, über Migration und Geflüchtete oder in Talkshow-Runden über soziale Gerechtigkeit: Oft wird heute das Schreckbild des “Moralismus” beschworen, wird über “Gutmenschen” gelästert oder über eine angebliche “Moraldiktatur” geklagt. Warum ist das so?
Wer schimpft am lautesten über angebliche Moralkeulen? Sind es womöglich nur diejenigen, die ein paar Bequemlichkeiten aufgeben müssen? Und: Wer “macht” heute, da die Kirchen an Einfluss verlieren, denn eigentlich die Moral?
In seinem Buch Moralophobia – Wie die Wut auf das Gute in die Welt kam zeigt der Schriftsteller und Journalist Jörg-Uwe Albig auf, dass die Klage über zu viel Moralisierung so alt ist wie die ersten Jeremiaden über die “Übel der Technik” oder das Jammern über die vermeintliche “Dummheit der Massen”. Berühmte historische “Moral-Rebellen” sind etwa Götz von Berlechingen, Friedrich Nietzsche und Donald Trump. Jörg-Uwe Albig sagt: Moralfragen haben stets gesellschaftlichen Fortschritt gebracht, ohne die Moralisierung der Politik hätte es keine Abschaffung von Sklaverei oder Folter gegeben, keine Ächtung von Kinderarbeit oder Prügelstrafen, ohne sogenannte Moral lebten wir heute noch in der Barbarei.
Jörg-Uwe Albig, geboren 1960 in Bremen, studierte Kunst und Musik in Kassel, war Redakteur beim Stern und lebte zwei Jahre als Korrespondent einer deutschen Kunstzeitschrift in Paris. Seit 1993 arbeitet er als freier Autor in Berlin. 1999 wurde sein Romandebüt Velo veröffentlicht. Es folgten weitere Romane und zuletzt das Sachbuch Moralophobia.
Katja Kullmann, geboren 1970, lebt als Essayistin, Erzählerin, Journalistin und Moderatorin in Berlin. Sie hat Gesellschaftswissenschaften studiert und als Journalistin für Tageszeitungen, Presseagenturen und Magazine gearbeitet, darunter FAZ, taz, EMMA und dpa. Am liebsten schreibt sie über soziales Statusgerangel, Geschlechterfragen, die Arbeitswelt und die Populärkultur. Für den Bestseller Generation Ally. Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein erhielt sie 2003 den Deutschen Buchpreis. Die Singuläre Frau, 2022 erschienen, ist ihr fünftes Buch. Für das Salonfestival führt sie Echte Gespräche in Berlin.
Fotonachweis: Christina Zück (Albig) und Nane Diehl (Kullmann)
Das Buch ist bei Klett-Cotta erschienen.
Alle Salons sind eine Einladung der Gastgeber. Sie öffnen ihr Haus und laden im Anschluss zu “Wein und Käse” o.ä. ein.
Die Eintrittsgelder finanzieren die Honorare der Künstler:innen und Referent:innen. Sie sind als eine Art Umlage zu verstehen.